Experteninterview zu sozial-emotionale Kompetenzen

Interview mit Prof. Dr. Simone Pfeffer

Simone Pfeffer ist Professorin an der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm in Nürnberg. Sie lehrt und forscht in den Studiengängen „Soziale Arbeit“ sowie „Entwicklung und Bildung im Lebenslauf“ und ist außerdem Autorin pädagogischer Fachbücher. Inhaltliche Schwerpunkte ihrer Arbeit sind neben Medizin- und Bildungssoziologie die Themen sozial-emotionale Kompetenzen, Resilienz und Gewaltprävention.

Worum geht es bei sozial-emotionalen Kompetenzen?

Ganz allgemein definiert man sozial-emotionale Kompetenz als die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen, auszudrücken und regulieren zu können sowie sich in Beziehungen sozial angemessen zu verhalten. Und damit sind wir auch schon bei der Frage: Woher weiß man, was angemessen ist? Diesen Maßstab gibt ein Werterahmen vor, der durch die Gesellschaft, in der wir leben, bestimmt wird. Aus meiner Sicht ist dieser Rahmen bei uns gesetzt durch demokratische Werte. In Deutschland gibt das Grundgesetz vor, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, dass es eine freie Entfaltung und einer Unverletzlichkeit der Person gibt. Orientiert an diesem Maßstab bildet sozial-emotionale Kompetenz die Basis für demokratisches Handeln.

Was heißt das im konkreten Fall?

Das bedeutet z. B., dass man Konflikte über Diskussionen, Interessenausgleich und Sprache austrägt. Und nicht darüber, wer stärker ist und den anderen unterdrücken kann, um das mal so platt zu sagen. Das hängt eng zusammen: kleine Fähigkeiten, die im Miteinander wichtig sind und dann in demokratischen Prozessen und Abstimmungen eine Rolle spielen. Demokratie heißt ja, dass man Interessen ausgleicht, dass man die anderen auch hört und annimmt und in ihren Interessen respektiert. Auch wenn man selbst vielleicht andere hat. Das gehört zu dem Werterahmen, den wir mit einer demokratischen Grundordnung setzen.

Und diese Entwicklung beginnt bereits bei kleinen Kindern?

Auf jeden Fall! Die Teilfähigkeiten Emotionswissen & Ausdruck, Empathie, Emotionsregulation und Konflikt & Kompromiss müssen ja erst erlernt werden. Das braucht Training bevor es automatisch funktioniert. Im Kindergarten kann das z. B. so aussehen, dass ein Kind nicht sofort nach dem anderen schlägt, weil es den Baustein jetzt aber selbst haben will. Wenn das Kind das andere dann „nur" anschreit, ist das auch schon eine Regulation. Das Gefühl wurde bereits ein bisschen geregelt, obwohl es sehr stark ist.

Spielt die Sprachentwicklung für die Ausbildung sozial-emotionaler Kompetenzen eine besonders wichtige Rolle?

Man kann analytisch einzelne Teilbereiche sozial-emotionaler Kompetenzen betrachten und wie mit dem Scheinwerfer Mimik, Emotionen, Beziehungsgestaltung oder auch Sprache separat beleuchten. Aber im Prinzip hängen all diese Faktoren zusammen. Kommunikation verläuft gleichzeitig verbal und nonverbal. Kinder lernen sozial-emotionale Kompetenz Schritt für Schritt in Beziehungen zu anderen. Die sprachlichen Fähigkeiten sind dabei wichtig für das eigene Gefühlswissen und den Gefühlsausdruck. Ein breites Repertoire an Gefühlen zu kennen, unterscheiden und benennen zu können – das lernen Kinder von klein auf, während sie sprechen lernen. Wer hier über einen großen Wortschatz verfügt, kann auch Emotionen präziser ausdrücken. Bei der Konfliktlösung hilft das dann eigene Bedürfnisse mittzuteilen oder zu argumentieren.

Sind sozial-emotionale Kompetenzen mittlerweile wichtiger als noch vor 20 oder 30 Jahren?

In gewisser Weise, ja. Es gibt deutlich mehr Kommunikationsprozesse auf die differenzierter reagiert werden muss. Digitale Medien zum Beispiel fordern die Kommunikations- und Regulationsfähigkeiten mehr ein. Gleichzeitig stellen Prozesse der Individualisierung den Menschen permanent vor Entscheidungen. Dies betrifft Detailfragen ebenso wie zentrale biografische Fragen. Welchen Ausbildungsweg soll man wählen, welchen Beruf ergreifen? Wann ist ein guter Zeitpunkt für eine Familiengründung? Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Wahlmöglichkeiten. Der Mensch darf, muss aber auch entscheiden. Um diese Entscheidungen zu treffen, ist es wichtig, dass man eigene Bedürfnisse und InteressenStärken und Schwächen wahrnimmt.

Welche Rolle spielt das pädagogische Fachpersonal bei der Vermittlung sozial-emotionaler Kompetenzen?

Die Haltung des Personals spielt eine sehr große Rolle. Pädagogische Fachkräfte arbeiten nicht im luftleeren Raum. Sie haben eine Vorbildfunktion und sind ein wichtiges Modell, von dem Kinder lernen. Darum ist der erste große Schritt, dass Erzieherinnen und Erzieher sich der Bedeutung von sozial-emotionalen Kompetenzen für die Entwicklung der Kinder bewusst sind. Im zweiten Schritt sollten sie die Teilfähigkeiten natürlich auch selbst ausgebildet haben und sich selbst reflektieren können. Bei der Vermittlung können sie dann auf Materialien zurückgreifen, die ansprechend gestaltet sind und ihnen sowie den Kindern Spaß machen.

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